Die Industriegeschichte Sudenburgs

Firmenblatt: Bearbeitungsstand: 07.05.2020

MAM Maschinen- und Apparatebau Magdeburg

VEB Brauerei- und Kellereimaschinen Magdeburg (BKM)

VEB Getränkemaschinenbau Magdeburg (Kombinat NAGEMA)

BKM Brauerei- und Kellereimaschinen Magdeburg GmbH

Firmendaten:

Gründung - Ende: 1948 - 2006
Gründer: Staatlich gesteuerter Zusammenschluss (VVB)
Standort(e): Fichtestraße 29a und
Sudenburger Wuhne 48a
Produkt(e): Ausrüstungen für die Getränkeindustrie, Getränkemaschinen, Flaschenfüllmaschinen bis hin zu Getränkeabfüllmaschinen.
Bemerkungen:  

Vorgeschichte:

Die Firma Brauerei- und Kellereimaschinen Magdeburg ist nach dem 2. Weltkrieg aus einer Zusammenlegung mehrerer verstaatlichter Firmen entstanden:

1. R. A. Knöllner - Brauerei- und Kellereimaschinenfabrik - MD-Neustadt

2. Magdeburger Pumpenfabrik Philipp Hannach bzw. Magdeburger Pumpenfabrik Otterburg & Co. - MD-Stadtfeld

3. Firma Oberländer - Kühlanlagenbau - MD-Lemsdorf.

Firmenchronik:

Jahr: Ereignis:
1945 Neustart nach Kriegsende.

Sowohl die Magdeburger Pumpenfabrik, als auch die Firma R. A. Knöllner waren ausgebombt. Notdürftig konnte die Produktion wieder aufgenommen werden.
Ausweichstandort der Firma R. A. Knöllner war Lübecker Str. 64-67 (Magdeburg-Neue Neustadt).
Die Magdeburger Pumpenfabrik nutzte Teile des Fabrikgrundstücks der Maschinenfabrik Möller & Schulze, Michweg 15-17 (ebenfalls Neue Neustadt).

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Anzeige Firma Möller & Schulze von 1941.
[Bildquelle: Magdeburger Adressbuch 1942]

Aktuell fehlen Informationen, ob die Firmen den Neuanfang noch unter ihrem alten Namen begannen, oder bereits umbenannt waren. Aufgrund der politischen Verstrickungen des letzten Inhabers ist bei der Magdeburger Pumpenfabrik von einer schnellen Enteignung auszugehen (siehe Firmenblatt). Auch bei Fa. R. A, Knöllner finden sich Hinweise, die für eine schnelle Enteignung sprechen. Neben der Firma kam auch das Mehrfamilienwohnhaus der ehemaligen Inhaberfamilie Hischer (Kaiser-Otto-Ring 8) in das "Volkseigentum" der Nachfolgefirma.

In den ersten Nachkriegsjahren werden die Magdeburger Pumpenfabrik und R. A. Knöllner zusammengelegt. Sie produzieren zunächst weiterhin getrennt, an den oben genannten Ausweichstandorten. Einen Hinweis auf diese kurze Periode findet sich im Magdeburger Adressbuch 1950/51. Als neuer Eigentümer des Hauses Kaiser-Otto-Ring 8 ist noch eingetragen:

VE. Magdeburger Pumpen- u. Kellereimaschinenfabrik (Lübecker Str. 64-67)

Die Verwaltung der zusammengelegten Betriebe liegt also zunächst am Standort der Brauerei- und Kellereimaschinenfabrik.
1948 Die ebenfalls verstaatlichte Firma Oberländer Kühlanlagenbau (Lemsdorf, bei der Kirche) wird als dritter Betrieb dem neuen Firmenkonstrukt zugeordnet.
Als neuer Standort ist ein Teil der Gebäude der ehemaligen Munitionsfabrik Polte in der Fichtestraße 29a, in Magdeburg-Sudenburg vorgesehen. Eigentümer der Immobilie ist der verstaatlichte Polte-Nachfolgebetrieb, das Sanar-Werk Polte (Liebknechtstr. 65-91).[2] Bis Kriegsende war dort die Groß-Hülsenzieherei und der Kartuschenbau untergebracht.[1] Nach Demontage des Maschinenparks durch die Sowjetischen Machthaber standen die Gebäude leer.
Zusätzlich zur laufenden Produktion an den jeweiligen Firmenstandorten, bereiten Mitarbeiter in Wochenendarbeit den neuen Standort für den Umzug vor. Neue Werkstätten werden eingerichtet und die Räumlichkeiten entsprechend der Erfordernisse umzugestaltet und hergerichtet.[1]

Auf dem Grundstück Fichtestraße 29a sind zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Firmen tätig:[2]

- Auto-Reparatur-Werkstatt Walter Kaiser
(vor Kriegsende auf dem Grundstück Ambrosiusplatz 4, MD-Sudenburg).

- Magdeburger Schuhfabrik Ernst Ferchland & Co. GmbH
(vor Kriegsende war Ernst Ferchland noch kein Fabrikant, sondern Schuh-Handelsvertreter, wohnhaft Clausewitzstr. 8.)

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Werbeeintrag der Magdeburger Schuhfabrik Ferchland & Co. GmbH von 1950.
Schuhfabrik mit Reparaturabteilungen in Leder - Igelit - Gummi
[Bildquelle: Magdeburger Adressbuch 1950/51]
Wie lange die Firmen Kaiser und Ferchland am Standort Fichtestraße 29a aktiv waren, ist nicht bekannt. Zu beiden Firmen liegen noch keine weiteren Informationen vor.
1949 Gründung des VVB Maschinen- und Apparatebau Magdeburg (MAM)

Unter neuem Firmennamen erfolgt Anfang Oktober 1949, im Umfeld der Staatsgründung der DDR (07.10.1949), der Umzug an den neuen Standort Fichtestraße 29a.
Zunächst trifft dies wohl nur für die Pumpenfabrik und den Kühlanlagenbau zu. Die "VVB Maschinen- und Apparatebau Magdeburg, Abt. Kellereimaschinen" bleibt zunächst noch am Standort Lübecker Str. 64-67, wie die folgende Werbeanzeige verrät:

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Werbeanzeige "MAM - VVB Maschinen- und Apparatebau Magdeburg" von 1950.
[Bildquelle: Magdeburger Adressbuch 1950/51, Teil 1, S 627]

MAM
Elektrisch-automatische Kühlanlagen, Tiefkühltruhen, Speiseeiserzeugungsanlagen, Haushalts- und Gewerbekühlschränke, Kellereimaschinen
VVB Maschinen- und Apparatebau

VVB Maschinen- und Apparatebau Magdebg., Abt. Kellereimaschinen, Lübecker Str. 64-67
1954 Der Weg der Zentralisierung im neuen Wirtschaftssystem wird fortgesetzt. Die drei verstaatlichten Ursprungsfirmen sind inzwischen zu einem gemeinsamen Betrieb verschmolzen. Aus der VVB (Vereinigung Volkseigener Betriebe) ist ein VEB (Volkseigener Betrieb) geworden:

VEB Maschinen- und Apparatebau Magdeburg MAM[3]

Wahrscheinlich sind inzwischen alle Teilbetriebe am Standort Fichtestraße 29a zusammengelegt. Hinweise auf den Neustädter Standort finden sich nicht mehr.
1955
B_BKM/1955_MAM_Briefkopf_w.jpg
Briefkopf MAM, "VEB Maschinen- und Apparatebau Magdeburg" von 1955.
[Bildquelle: Archiv T. Garde]

Personalien: (1955)
Werkleiter: Kodoll, Hauptbuchh.: Beneke, Abteilungsleiter: Ramdohr, Stellv. Absatzleiter: Böhm

Personalien: (1956)
Produktionsleiter: Kalsdorf, Stellv. Absatzleiter: Böhm
  In der Anfangszeit werden produziert:[1]
  • Kühlanlagen für Molkereien und Schlachthöfe,
  • Kompressoren,
  • Schiffshydraulik,
  • Speiseeismaschinen (Eis/Öl? ...unleserlich...),
  • Flaschenreinigungsmaschinen RS 20/30,
  • Flaschenfüllmaschinen LF 6 und 10, Bierflaschenabfüller BF 16, 20 und 42,
  • Mineralwasserherstellungsmaschinen MH 4, 5 und 15, Faßfüller FL 2,
  • Transportbänder, Höhenförderer, Pasteure,
  • Großsyphone, Etikettiermaschinen, Packmaschinen.
Zusätzlich werden auch "sogenannte Massenkonsumgüter"[1] hergestellt:
  • Schubkarren (-karren/-kästen? ...unleserlich...),
  • Kinderbetten,
  • Gaskocherschränke,
  • Gurkenhobel,
  • Trittleitern,
  • Gepäckträger,
  • Waschhocker.

Mit der Zeit spezialisiert sich die Firma immer mehr auf Ausrüstungen und Apparate für die Flaschenkellerei. Die Fertigung der anderen Produkte werden nach und nach eingestellt.
Folge der Spezialisierung ist eine Umbenennung des Unternehmens:
1958
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Briefkopf "BKM - VEB Brauerei- und Kellereimaschinenfabrik Magdeburg" von 1958.
[Bildquelle: Archiv T. Garde]

Bezeichnung: VEB Brauerei- und Kellereimaschinen Magdeburg Logo: BKM
(Schreiben VEB-BKM)
Herstellung weiterhin u.a. Bierflaschenabfüller BF 16 [3]
1961 Eine neuentwickelte Maschinen- und Anlagengeneration kommt auf den Markt, die in weiterentwickelter Form bis Ende der 1980er Jahre produziert wird und bis weit darüber hinaus in Süd- und Osteuropa in Betrieb sind. Möglicherweise sogar bis heute. Die neuen Produkte sind:[1]
  • Flaschenfüll- und Verschlussmaschinen BF 24, 35 und 60 bzw. .1, LF 10 später LF/SF 12,
  • Karbonisiermaschinen KA 10, KM 10/30.1
  • Karbonisier- und Mischmaschine KoMi 45/80 und 160 (Entwicklung TK-Außenstelle Halle)
  • Etikettiereinrichtung Eti 1, Eti A10,
  • Scheibenanschwemmfilter.
Karbonisieren ist hier die künstliche Zufuhr (einpressen) von Kohlenstoffdioxid in Flüssigkeiten (z.B. Getränke), wobei auch eine geringe Menge an Kohlensäure entstehen.
1964 Als Werk II wird der Zerbster Zweigbetrieb der Firma Holstein & Kappert, Dortmund, angegliedert.
Das Werk übernimmt die Fertigung der kleineren Maschinentypen und später auch die KoMi-Serie.
Auch in Zerbst werden zusätzlich Konsumgüter hergestellt:[1]
  • Drahtleitern für Wandregale,
  • Steh- und Anlegeleitern,
  • Kleinküche KK 15.

Das Zweigwerk in Zerbst wurde erst kurz vor Kriegsende auf behördliche Veranlassung hin gegründet. H&K wurde angewiesen, die Betriebsabteilung für Molkereimaschinen und -geräte nach Zerbst in Sachsen-Anhalt zu verlegen. Von den mit Maschinen und wertvollen Rohstoffen beladenen Waggons erreichen jedoch längst nicht alle ihr Ziel. Das Zerbster Werk wird nach dem Krieg zunächst unter dem alten Namen "Holstein & Kappert" weitergeführt. Aufgrund der politischen Verhältnisse verliert das Dortmunder Stammhaus nach dem Mauerbau 1961 all seine Einflussmöglichkeiten und damit letztendlich auch das Werk.
[Quelle: Historie von H&K (heute KHS): [ONLINE]]
1970 Im Rahmen einer weiteren Zentralisierung verliert der VEB BKM seine Selbstständigkeit. Die Firma wird Teilbetrieb des neu gegründeten VEB Kombinat NAGEMA (NAhrungs- und GEnussmittel-MAschinenbau).[3] Hauptsitz des Kombinats ist Dresden.

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Briefkopf der VEB Kombinat NAGEMA - Brauerei- und Kellereimaschinenfabrik Magdeburg.
[Bildquelle: E. Klaes]
 
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Logo auf Werbestreichholzheftchen: NAGEMA - VEB Getränkemaschinenbau Magdeburg.
[Bildquelle: Archiv T. Garde]
1976 Der neue Betriebsteil an der Sudenburger Wuhne 48a wird fertiggestellt und in Betrieb genommen.
[ZZ-Info E. K.]
1984 Magdeburger Telefonbuch 1985:
Getränkemaschinenbau Magdeburg VEB: 3014 Sudenburger Wuhne 48a
Abt. Konstruktion u. Automatisierung: 3014 Fichtestraße 28
Bereich Absatz v. HAN: Sudenburger Wuhne 48c
Ersatzteillager: 3031 Gr. Diesdorfer Str. 163
[Quelle: E. Klaes]
1988 DDR Telexverzeichnis 1988:
Getränkemaschinenbau Magdeburg VEB, Sudenburger Wuhne 46a
Getränkemaschinenbau Magdeburg VEB, Betriebsteil Burg, Leninstr. 14
1980/90er Konsumgüterproduktion: z.B. Alu-Leitern. (<-- "Durften" fast alle VEBs nebenbei machen)

An der Sudenburger Wuhne befand sich u.a. der "BKM Füllventilbau. Dort wurden die Sprossen der Leitern verpresst" [ZZ-Info H. B.]

Frage Autor: Liefen die Standorte Fichtestraße und Wuhne parallel bis nach 1989?
Antwort: "Das war eigentlich alles eins. Die Fichte Strasse waren der Modellbau und die Instandhaltung. Dazwischen lag die Blechbearbeitung und der Neubau war der Endbau und die Dreherei." [ZZ-Info L. U.]


Es gibt mind. zwei Zweigbetriebe (Betriebsnamen?)
1. Zerbst: "Komi" Limo-Maschinen [ZZ-Info L. U. + G. W.]
2. Burg: Etikettiermaschinen und Kronkorker. (VEB Getränkemaschinenbau Magdeburg BT Burg, Bahnhofstraße) [ZZ-Info I. M.]
1990er
B_BKM/1993_GMB_Briefkopf.jpg
Briefkopf der Getränkemaschinenbau Magdeburg GmbH von 1993.
[Bildquelle: E. Klaes]
Nach der Deutschen Einheit: Das Kombinat NAGEMA zerfällt.
Gründung der BKM Brauerei- und Kellereimaschinen Magdeburg GmbH, Sudenburger Wuhne 48A. [3]

Handelsname: Rust.
Handelsregister: HRB109468.
Anzahl Mitarbeiter: 20 - 49. [1]

Hersteller von Ausrüstungen für die Getränkeindustrie, Getränkemaschinen, Flaschenfüllmaschinen bis hin zu Getränkeabfüllmaschinen. [2]
1993 Magdeburger Adressbuch 1994/95:

Sudenburger Wuhne 48a:
Getränkemaschinenbau Magdeburg GmbH

Fichtestr. 28: (Eckhaus)
nur Wohnhaus, einzig ein Vericherungsbüro: "Deutscher Ring - Lebensversicherungs AG"

Fichtestr. 29:
Innen und Ausbau GmbH
Institut für Lacke Und Farben e.V.

Fichtestr. 29a:
PROAT-automation GmbH
Rossow, R.
STABEMA GmbH

2006 Insolvenz der "BKM GmbH".
"BKM HAT Insolvenz angemeldet. Ein neuer Unternehmer aus Waren an der Müritz hat dann das Gebäude gepachtet und mit den Angestellten weiter gemacht, mit dem Namen Filtec bis 2009." [ZZ-Info I. M.] <-- Erst 2006 oder bereits früher Insolvenzmeldung?

"Filltec GmbH", Produktion und Service von Füllmaschinen für die Getränkeindustrie.
(Eintrag ins Handelsregister) [3]
2009 Verlegung nach Waren (Müritz). [5]

FILLTEC GmbH, Siegfried-Marcus-Str. 37, D-17192 Waren (Müritz).
"Die FILLTEC GmbH wurde aus der BKM Brauerei- und Kellereimaschinen Magdeburg GmbH heraus gegründet. Der Schwerpunkt der FILLTEC liegt in der Produktion und Weiterentwicklung und dem Service von Füllmaschinen für die Getränkeindustrie.
Ein Schwerpunkt ist auch der Service und die Ersatzteilversorgung der von der ehemaligen NAGEMA bzw. BKM Magdeburg hergestellten Füllmaschinen und Getränkeanlagen.
Die FILLTEC GmbH projektiert und realisiert Maschinen und Komplett-Anlagen für die Getränkeindustrie." [4]
(Link nicht mehr erreichbar: www.beverage-tec.net/company.php?data%5Bid%5D=401363&data%5Bsearch_keep%5D=)
2010 Auflösung des Gesellschaftervertrages (und damit der Firma).
Wahrscheinlich zusammengelegt mit dem Schwesterbetrieb Matec GmbH (Waren), der 1990 ebenfalls aus dem Kombinat NAGEMA hervorging.
Stand 2015:
MATEC Engineering UG- August-Bebel-Str. 39 - D-17213 Malchow (Müritz) [5]
2014 17. Dezember: Löschung der "Filltec GmbH" von Amts wegen aus dem Handelsregister, wegen "Vermögenslosigkeit". [5]
2020 Heute am Standort Sudenburger Wuhne 48a: Firma Sigma:
"Bis jetzt wird auch noch das Ersatzteilgeschäft der Füllmaschinen betreut."
"Wir (Red.: Sigma) betreuen die Kunden noch die einen haben und liefern Ersatzteile. Maschinen produzieren wir leider nicht mehr."[ZZ-Info I. M.]
Frage Autor: Seit wann bei Sigma?

Quellen:

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