Die Industriegeschichte Sudenburgs

Firmenblatt: Bearbeitungsstand: 02.07.2025

J. D. Garrett

und

Garrett Smith & Co

Lokomobil- und Landmaschinenfabrik

Firmendaten:

Gründung - Ende: 1861 - 1881: John D. Garrett
1882 - 1905: Garrett Smith & Co.
Gründer: John Dunnell Garrett (* 1831 in Leiston (Suffolk) / England, † ??.??.1900 in ?)
Standort(e): ab 1861: Hauptwerk Buckau - Freie Straße 37 (vorm. Benennung Bahnhofstr. 29b bzw. 29d)
ab 1890: Zweitwerk Sudenburg - Helmholtzstr. 8 (vorm. Am Steindamm 1a) - Kesselschmiede
Produkt(e): Lokomobilen, Landmaschinen (Drillmaschinen, Pferdehacken)
Bemerkungen: Warb mit "Älteste Locomobilenfabrik Deutschlands". 
Briefkopf Garrett Smith & Co. von 1899
Briefkopf Garrett Smith & Co. von 1899.
[Bildquelle: Sammlung Thomas Garde]

Firmenchronik:

 - Vorgeschichte -   [nach oben]

John Dunnell Garrett kommt 1831 in Leiston (Suffolk) / England als Sohn des Fabrikanten Richard Garrett (1807 - 1866) und dessen Ehefrau Elizabeth (geb. Dunnell) zur Welt. Nach Abschluss seiner Schulausbildung kümmert sich John, gemeinsam mit seinem älteren Bruder Richard Garrett (1829 - 1866) um die väterliche Maschinenfabrik Richard Garrett and Sons, wenn der Vater wegen anderer Geschäfte nicht anwesend ist.
Familienintern gab es möglicherweise die Diskussion, wie man am besten auf dem Deutschen Markt Fuß fasst, durch den Export der Maschinen oder einer Produktion vor Ort. Ob es zum internen Streit oder einem Übereinkommen kam ist nicht geklärt. Letztendlich beschließt John, unter eigenem Namen eine Produktion in Deutschland aufzubauen, wofür er 1960 nach Deutschland zieht. In die Stadt Buckau (bei Magdeburg, Stadtrecht seit 1859) erwirbt er das Grundstück Bahnhofstraße 29b (1881 umbenannt in Freie Straße 37) und errichtet dort eine eigene Maschinenfabrik. Seine Ehefrau Sarah Winsmore Garrett, die er 1857 in St. George's, Bloomsbury, geheiratet hatte, bleibt bis zur Fertigstellung der Fabrik bei der Familie in England. [4],[5]

 - 1861 - Firmengründung in Buckau   [nach oben]

Als
Fabrik landwirtschaftlicher Maschinen
J. D. Garrett

nimmt die neue Fabrik 1861 die Produktion auf.

Briefkopf Garrett von 1867
Briefkopf der Firma J. D. Garrett von 1867.
[Bildquelle: © U. Kassebaum, Dessau]

Als Filiale der väterlichen Landmaschinenfabrik Richard Garrett & Sons, Leiston/England wird in Buckau die gleiche Produktpalette gefertigt:[1],[2]

 - 1862 -    [nach oben]

1862 kommt Sohn Easton Garrett in Buckau zur Welt. Ehefrau und Sohn gehen aber zurück nach England, wo Easton seine schulische Ausbildung erhält. J. D. Garrett wohnt zunächst auf dem Fabrikgelände, bevor er 1875 eine neue Wohnung in der Nähe bezieht, im Gasthaus "Alter Schwan".

 - 1872 - 1880 -   [nach oben]

Neben deutschen Arbeitern sind für die Firma in Buckau auch englische Fachkräfte in Buckau tätig.

Arthur George Mumford, der zuvor in Leiston bei Richard Garrett beschäftigt war, wechselt 1872 nach Buckau, um für John Garrett zu arbeiten.[6] Ein Eintrag im Magdeburger Adressbuch findet sich allerdings nicht.

Ab dem Magdeburger Adressbuch 1873 sind Fachkräfte mit Wohnsitz an der Firmenadresse gemeldet:

Buckau, Bahnhofstraße 29d:
Robert Atkinson, Kesselschmied (Geführt 1873 - 1875/76)
Heinrich Kent, Werkführer (Geführt 1873 - 1875/76).
Wilh. Pryke, Stellmacher (Geführt 1873 - 1875/76).
W. Backhouse, Maschinenbauer (Geführt 1873 - 1881), ab 1877 als Werkführer.
Moses Ralph, Maschinenbauer (Geführt 1873 - 1881).

Harvey, Werkmeister (Geführt 1877 - 1881).
Carl Röhl, Buchhalter (Geführt 1877 - 1881).

See, Schmiedemeister (Geführt 1879 - 1881).

Sohn Easton Garrett kommt nach Abschluss seiner Schulausbildung 1877 zur praktischen Ausbildung in den väterlichen Betrieb nach Buckau. 1879 bis 1882 arbeitet er am Design eines vom Vater erfundenen mechanischen Baggers. [5]

Eine weitere wichtige Personalie vermeldet das Magdeburger Adressbuch 1880:
Godfrey Garrett Smith, ein Mitglied der weitläufigen Garrett-Smith-Familie, ist als Prokurist in die Firma eingetreten.

 - 1881 - Neue Firmenadresse    [nach oben]

Durch Umbenennung und Neunummerierung der Straße lautet die neue Firmenadresse: Freie Straße 37.

Nach 20 Jahren gibt J. D. Garrett die Firma 1881 oder 1882 ab und verläßt Magdeburg. Die Gründe sind unklar. Heft 46/1 des Stadtplanungsamtes Magdeburg macht einen Konkurs verantwortlich, jedoch ohne Belege dafür.[2]
John Dunnell Garrett ist zu diesem Zeitpunkt ca. 50 Jahre alt. Sein weiterer Werdegang ist nicht bekannt. Wahrscheinlich zieht er zu seiner Frau Sarah W. Garrett, die 1881 mit Tochter Helen E. Garrett (8 Monate) und Schwester Helen M. Easton 35 in Southwold/England lebt. 1891 ist auch J. D. Garrett dort als Privatmann gemeldet. Er stirbt im Jahr 1900.[4]

Easton Garrett geht ebenfalls zurück nach England, wo er 1882 eine Stellung bei Easton und Anderson aus London und Erith antritt. [5]

 - 1882 - Firma mit neuem Namen und neuen Eigentümern   [nach oben]

Die Firma bleibt in Familienbesitz. Neuer Firmeninhaber ist der bisherige Prokurist Godfrey Garrett Smith (* 1858), der die Firma unter seinem Namen weiterführt. Der Identität des Miteigentümers zu diesem Zeitpunkt ist unklar.
Der neue Firmenname ab 1882 lautet

Garrett Smith & Co.

Godfrey Garrett Smith übernimmt zunächst auch die Wohnung von J. D. Garrett im "Alten Schwan", bevor er 1884 vorübergehend in die Magdeburger Altstadt zieht. In der Bismarckstraße 14 bringt Ehefrau Cecilia Marian (Garrett) Smith, geb. Pole am 12.09.1886 Sohn Louis Garrett Smith zur Welt und am 25.12.1889 Sohn Noel Garrett Smith.

 - 1883 - 1888 -   [nach oben]

Vom alten Personal sind weiterhin für die Firma tätig (mit Wohnadresse am Firmenstandort gemeldet):

W. Backhouse bleibt Werkführer (bis 1886/87).
Moses Ralph, der Maschinenbauer steigt bis 1886 zum Werkmeister auf.

Carl Röhl ist ab 1883 als Buchhalter der Firma verzeichnet, 1887 wird er Prokurist.

Richard Garrett, ein Familienmitglied, kommt 1886 als Volontär in die Firma. Er bezieht eine Wohnung auf dem Firmengelände Freie Str. 37. Im Adressbuch 1888 ist er bereits als Prokurist geführt, wie auch Carl Röhl.

1887 wird Buckau eingemeindet und ein Stadtteil von Magdeburg.

 - 1889 - 1892 - Neues Zweitwerk in Sudenburg   [nach oben]

1888/89 kauft Garrett Smith in Magdeburg-Sudenburg das Areal der liquidierten Sudenburger Brückenbau-Anstalt, die u. a. auch Dampfkessel hergestellt hatte. Auf dem nahe der Leipziger Straße gelegenen Grundstück "Am Steindamm 1a" entsteht ein Zweites Werk der Maschinenfabrik Garrett Smith & Co., mit Schwerpunkt Kesselschmiede. Ob dafür noch vorhandene Werksgebäude genutzt werden konnten, ist nicht bekannt. Neben der neuen Zweitfabrik, werden auch Filialen in Breslau und Danzig beworben.

1885_ca_GarrettSmith_Kesselschmiede_Sudenburg.jpg
Kessel-Montagehalle des Werks in Sudenburg, nach 1890.
[Bildquelle: Sammlung Thomas Garde]

1889/90 lässt sich Godfrey Garrett Smith am Rand des Sudenburger Fabrikgrundstücks ein Wohnhaus in englischem Stil errichten. Da das Gebäude im 2. Rayon der Festung Magdeburg liegt, muss es als demontierbares Fachwerkhaus (Rayon-Haus) errichtet werden. Das heute denkmalgeschützte Gebäude entstand nach einem Entwurf von Johann August Duvigneau und Albert Favreau. Zum Errichtungszeitpunkt lautete die Adresse Am Steinwall 1a, wie die Maschinenfabrik. Heute ist es "Helmholtzstraße 8", das Eckgrundstück zur Weberstraße..

2016_GarrettSmith_Villa_Helmholtzstr_8_w.jpg
Die denkmalgeschützte Fabrikantenvilla in der Helmholzstraße 8.
[Aufnahme von 2016]
Nach Fertigstellung des Hauses wird dort am 10.12.1890 Sohn Godfrey Garrett Smith (jr.) geboren, am 25.07.1892 auch Tochter Alice Garrett Smith.

1891 kommt Godfreys jüngster Bruder nach Magdeburg, der Ingenieur Christopher Garrett Smith (* 1865). Er wohnt zunächst in der Augustastr. 36 pt. (heute Hegelstraße), später Hallesche Straße 25 (heute ?), Buckau. Dort bringt seine Ehefrau Antonia, geb. Zieseniss zwei Kinder zur Welt, Bratrice (1893) und James (1894). Ob Christopher jedoch für Garrett Smith & Co. gearbeitet hat, ist aktuell nicht belegt. Ab 1897 wird er im Adressbuch nicht mehr geführt.

 - 1893 - 1900 -   [nach oben]


Werbeanzeige Garrett Smith & Co. von 1893
Werbeanzeige der Firma Garrett Smith & Co. von 1893.
[Bildquelle: Sammlung Thomas Garde]


1883 verrät erstmals ein Adressbucheintrag die Identität des Miteigentümers der Firma. Es ist James William Smith aus London, Vater von Godfrey Garrett Smith.

Garrett Smith & Co.,
Maschinenfabrik u. Eisengießerei,
(Inh.: Garrett Smith hier u. James William Smith in London),
(Proc.: Rich. Garrett u. Carl Roehl),
Buckau, Freie Straße 37 und Sudenburg, Steindamm 1a.

1897 wird Richard Garrett Mitinhaber der Firma. Fortan wird er als "Kaufmann" geführt. Carl Röhl bleibt Prokurist.

1900 wird die Firma Garrett Smith & Co. auf der Weltausstellung in Paris mit zwei Goldmedaillen ausgezeichnet.

 - 1901 - 1904 -   [nach oben]

Im "Polytechnischen Journal" findet sich folgende Veröffentlichung: [3]

Der 5000ste Kessel wurde blumenbekränzt in der Sudenburger Kesselschmiede der bekannten Lokomobilenfabrik Garret Smith & Co., Magdeburg, in den letzten Tagen verladen. Die Fabrik ist die älteste Lokomobilenfabrik Deutschlands, die - im Jahre 1861 gegründet - sich vom bescheidenen Umfange zu einer der größsten Spezialfabriken entwickelt hat und nahezu 1000 Arbeitern Beschäftigung gibt.
In den ersten 25 Jahren 1861 - 1885 wurden 1000 Lokomobilen
in den folgenden 15 Jahren 1885 - 1900 wurden 4000 Lokomobilen
von ihr fertiggestellt. Gegenwärtig beträgt die Leistungsfähigkeit der Fabrik täglich 2 Lokomobilen im Werte von 12 - 15000 M., entsprechend einem Jahresumsatz von etwa 4 Millionen M., so dass die heutige Leistung gegen den Durchschnitt der ersten 25 Jahre 15fach gesteigert ist. Für die Vorzüglichkeit ihrer Fabrikate spricht der Umstand, dass die Firma in der Zeit ihres Bestehens über 150 goldene und silberne Medaillen, erste Preise u.s.w. erhalten hat und zuletzt auf der Weltausstellung in Paris durch Verleihung von 2 goldenen Medaillen ausgezeichnet wurde.
Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung (A. Kröner) Stuttgart.
Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft ebendaselbst.


Werbeanzeige Garrett Smith & Co. von 1901
Die Anzeige der Firma Garrett Smith & Co. von 1901
wirbt mit den beiden Pariser Goldmedaillen.

[Bildquelle: Sammlung Thomas Garde]
1903: Prokurist Carl Röhl erhält Verstärkung durch Paul Lehl und Leopold Siebert, die gemeinsame Prokura erhalten.
[Adr1904]

 - 1905 -    [nach oben]

06.1905:
Meldung: Richard Garrett ist als Miteigentümer der Firma Garrett Smith & Co. ausgeschieden
[Info: Teil Geschäftshandbuch von Juni 1905.(S. 724)
und verläßt wohl Magdeburg. Im Adressbuch wird er fortan nicht mehr geführt.[Adr1906]

09.10.1905: Konkurs. [2]
Die Magdeburger Volksstimme meldet, dass die Firma Garrett Smith & Co. am 09.10.1905 Konkurs angemeldet hat.
Begründet wird dies mit einer gescheiterten Umstrukturierung des Unternehmens.
[Volksstimme vom 11. Oktober 1905 Online]

10.10.1905:
"Im Konkurs der Lokomobilenfabrik Garrett Smith & Co. in Magdeburg wurde gestern die erste Gläubigerversammlung abgehalten. Nach dem über den Stand der Kasse vorgetragenen Bericht belaufen sich die freien, unbelasteten Aktiva auf 2.530.000 Mk, die ungesicherten Schulden auf 3.280.000 Mk., die Vorrechtsforderungen auf 170.000 Mk. Die Dividende wurde veranschlagt auf 74 Proz. Dem Gläubigerausschuss wurde vorbehalten, Beschluss darüber zu fassen, ob und wann die Fabrik geschlossen werden soll; vorläufig soll der Betrieb aufrechterhalten bleiben. Die Verhandlungen über einen Zwangsvergleich sollen fortgesetzt werden. Der Verkauf der Fabrik wird erwogen. Der Gläubigerausschuss besteht aus folgenden Herren: Justizrat Giesecke-Magdeburg, Bankdirektor Colberg-Halle, Kaufmann Rohde-Magdeburg, Kaufmann Paul Schumann-Magdeburg und Direktor Grosse-Magdeburg."
[Uni Halle, "3. Beilage zu Nr. 265 des General-Anzeiger für Halle u. den Saalkreis, 10. November 1905." Online]

 - 1906 -    [nach oben]

Die Volksstimme Magdeburg berichtet in Heft 1906-203 vom Sonnabend 1. September 1906 im Artikel
Riesenbetrügereien über einen Gerichtsprozess. Darin wird berichtet der Angeklagte, dass "die sich zurzeit in Konkurs befindliche Firma Garrett Smith & Co." Mitte der 1890er Jahre Opfer einer Betrügerei geworden war, die er aufgedeckt hatte. Ein Neustädter Bau- und Nutzholzhändler hatte die Stammdurchmesser der gelieferten Stämme wissentlich zu groß angegeben. Garret Smith & Co. führte Ansprüche von 250.000 Mark gegen die Lieferfirma an. Nach längeren Verhandlungen verglich man sich auf eine Zahlung von etwa 63.000 Mark.

 - 1907 - Zwangsversteigerung   [nach oben]

"Die Lokomobilen- und Dreschmaschinenfabrik Garrett, Smith & Co. in Buckau kommt am 25. Juli vor dem Buckauer Amtsgericht zur Zwangsversteigerung. Die Fabrik beschäftigte früher bis zu 600 Arbeiter und geriet vor zwei Jahren in Konkurs, wobei bekanntlich der Hallesche Bankverein von Kulisch, Kaempf & Co. stark in Mitleidenschaft gezogen war, Gegründet war die Fabrik im Jahre 1862."
[Saale-Anzeiger vom 3. Juni 1907: Zwangsversteigerung Garrett Smith am 25. Juli. Online]

Nach der Zwangsversteigerung verlässt Godfrey Garrett Smith Magdeburg.
Den Standort Buckau (Freie Straße 37) ersteigert die Firma Schäffer & Budenberg G.m.b.H., Mgd.-Buckau (Schönebecker Str. 8). Die Weiternutzung ist unklar.
Der Sudenburger Standort (Helmholtzstraße) geht an den Hauptgläubiger, den Halleschen Bankverein. Während die Fabrikantenvilla erhalten bleibt, werden die Fabrikgebäude abgerissen und das Grundstück für den Wohnungsbau vermarktet. Dort entsteht die Weberstraße mit seinen beidseitigen Mehrfamilienhäusern.

Quellen:


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www.sudenburg-chronik.de - Thomas Garde - CC-BY-SA 3.0 - DE